„Der Weg zur Versöhnung wird lang und schmerzhaft”

Die ganze Woche, 5. April 2023

Kanzler Karl Nehammer hat angekündigt, nach Ostern einen Versöhnungsprozess zu starten und eine Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen zu präsentieren. Die Initiative ist an sich begrüßenswert, dies umso mehr, als sein Koalitionspartner, die Grünen, offenbar nicht an einer Versöhnung interessiert sind. Man werde „Wissenschaftsleugner“ nicht um Entschuldigung bitten, meinte etwa Gesundheitsminister Johannes Rauch patzig. SPÖ und Neos fühlen sich gleich gar nicht betroffen, über eigene Fehler nachzudenken.

Bei einer öffentlichen Aufarbeitung geht es aber nicht um Gefühle und ein „Trauma“, wie der Kanzler meint, sondern um Tatsachen und Verantwortung. Es geht auch nicht um einzelne Fehler, sondern darum, wie es geschehen konnte, dass ganze Systeme versagt haben.

Damit eine Aufarbeitung gelingt, braucht es einige wichtige Voraussetzungen. Es braucht eine von der Politik unabhängige Kommission, die nicht vom Kanzler bestellt wird, sondern die ihre Mitglieder selbst nominiert. Einer Kommission können also nicht jene „Experten“ und Beamten angehören, die in den vergangenen Jahren den Ton angaben. Diese versuchen nämlich alles, ihr Versagen zu vertuschen und die Schuld auf andere zu schieben.

Vielmehr müssten jene die Aufarbeitung vorantreiben, deren kritische Stimmen bisher nicht gehört oder die gar diffamiert wurden. Jene, die nicht von der Krise profitiert haben, sondern die wegen ihrer Kritik ihren guten Ruf und ihre berufliche Existenz aufs Spiel gesetzt haben.

Schließlich braucht es Konsequenzen für jene, denen Fehlverhalten, Vorteilnahme, Lüge oder Interessenkonflikte nachgewiesen werden. Dies müssen dann mitunter Gerichte klären. Und es braucht auch Konsequenzen für diejenigen, die politisch versagt haben.

Der Prozess einer Aufarbeitung im Bereich der Politik, des Wissenschaftsbetriebes, der Medien und der Justiz ist auch deshalb unumgänglich, weil die Systematik der Ausgrenzung und Diffamierung Andersdenkender sich bei anderen Themen fortsetzt, nämlich bei Klima und Ukraine. Und dies ist Gift für unsere Demokratie und ein gutes Zusammenleben.

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Schuld und entschuldigen