Politiker in Angst
Cato, Nr. 1/2025
Österreich gilt gemeinhin als klein, überschaubar und gemütlich. Man kennt einander und meist werden die Dinge nicht so heiß gegessen wie gekocht. „Schau‘n wir mal“, lautet die verbreitete Devise.
In diesem Sinne gestaltete sich stets der Umgang zwischen Politikern und dem Wahlvolk: Man schimpfte zwar auf die Politiker, um sich dann geehrt zu fühlen, wenn der Herr Landesrat oder gar die Frau Minister beim lokalen Event vorbeischauten. Da machte man dann artig seine Honneurs und vermied tunlichst unangenehme Themen. Häufig sah man hochrangige Politiker – bis hinauf zum Bundeskanzler oder Bundespräsidenten – in Wien durch die Gassen der Innenstadt flanieren oder gar in der Straßenbahn fahrend. Ohne jeglichen Polizeischutz oder Sercurity. Meist hielten die Leute respektvoll Abstand und flüsterten dem Nebenmann zu: „Schau mal, das ist doch der … !“ Das Mischen unter die Leute war eine Selbstverständlichkeit.
Das hat sich seit 2020, dem Beginn des permanenten Ausnahmezustands, schlagartig geändert. Seither herrscht Angst. Zuerst war es die Angst vor dem Virus, die Panik auch unter den Politikern auslöste. Da gab es die Landespolitikerin, die zuvor auf keinem Kirtag gefehlt hatte, die sich ängstlich in ihrer Residenz einbunkerte und ihr Büro nicht mehr verließ. Jahrelang sah sie nur ihre engsten Mitarbeiter und ein paar Politiker. Bürger ließ sie nicht mehr an sich heran. Ein Opfer ihrer eigenen Propaganda.
Als man in der Politik meinte, aufatmen zu können, weil „diese schreckliche Zeit“ nun endlich vorbei sei, ging es erst richtig los. Obwohl man ja „nur Leben retten wollte“, und dafür im internationalen Vergleich besonders drastische Maßnahmen setzte, zeigten sich etliche Landsleute dennoch nicht dankbar – ganz im Gegenteil. Sie zeigten ihren Unmut, ja Zorn sowohl an der Wahlurne als auch mittels wüster Beschimpfungen, meist mittels sozialer Medien und Mails. Nun wagt sich so mancher christlich-soziale Spitzenpolitiker nicht einmal mehr in die Sonntagsmesse, jedoch nicht aus schlechtem Gewissen, sondern aus Furcht vor Anfeindungen. Man erhalte sogar Morddrohungen, berichten entsetzte Politiker.
Die massive Wirtschaftskrise, in der sich Österreich nun bereits das zweite Jahr befindet, wird die Stimmung wohl nicht verbessern. Durch die Stadt zu flanieren, ohne Personenschutz unterwegs zu sein, das gibt es nun nicht mehr. Selbst im Nationalrats-Wahlkampf im September fanden die meisten Veranstaltungen in geschlossenem Rahmen statt. Den Straßenwahlkampf, sich unters Volk zu mischen, vermieden die Spitzenpolitiker tunlichst.
Dazu kommen die Drohungen von islamistischen Gruppen. Wien war ja bereits mehrfach Ziel derartiger Anschläge, wenngleich diese unbeteiligte Bürger betrafen. Der Krieg in Gaza, bei dem sich die Regierungsspitze klar auf die Seite Israels stellte, fachte die Flamme der Gewalt an. In den vergangenen Jahren hatte man unkontrolliert und ungebremst eine unbekannte Zahl Radikaler ins Land gelassen. Die Geister, die man rief, wird man nun nicht mehr los.