Es braucht eine Rückbesinnung auf die journalistischen Grundregeln

DIE PRESSE

Statt Erziehungs- und Haltungsjournalismus hat das Publikum Anrecht auf eine wertneutrale und differenzierte Berichterstattung. Ein Appell zum Abschied.

Der Journalismus befindet sich in einer Krise. Diese währt schon länger, hat verschiedene Ursachen und wird nun offenkundig. Einer der Gründe dieser Krise ist die Erosion der finanziellen Basis. Viele Medienhäuser, früher finanziell potent, hungern immer mehr aus: Durch den Wegfall von Werbung und Kleinanzeigen, die Konkurrenz durch Gratisformate in Internet und Print, sowie immer weniger Abonnenten. Die Redaktionen müssen auf verschiedenen Info-Kanälen immer mehr produzieren. Gleichzeitig wird beim Personal eingespart, es bleibt weniger Zeit für Recherche. Darunter leidet wiederum die Qualität. Ein Teufelskreis. Einschüchterungsklagen setzen Medienhäuser und Journalisten zunehmend unter Druck und sollen zur Selbstzensur führen.

Inhaltlich werden Tendenzen immer dominanter, die Leserinnen und Seher dazu veranlassen, sich abzuwenden. Anstatt umfassend, ergebnisoffen und möglichst neutral zu informieren, sowie Meinung und Information sauber zu trennen, greift ein Haltungs- und Erziehungsjournalismus um sich: Indoktrination statt Information, Propaganda statt Berichterstattung. Das führt zu Schwarz-Weiß-Malerei und einer moralisierenden Einteilung in Gut und Böse – Kategorien, die im Journalismus eigentlich nichts zu suchen haben. Auf der Strecke bleiben die Differenzierung, die neutrale Erklärung und das Darstellen von Für und Wider.

Qualitätsjournalismus besteht auch darin, möglichst alle Facetten eines Themas zu beleuchten. Im Haltungsjournalismus und seinem Eiferertum haben Widersprüche und Antithesen hingegen keinen Platz. An die Stelle der vorurteilsfreien Beschreibung der Realität tritt die Moral. Somit werden dem Publikum „abweichende“ Informationen, Positionen und Meinungen vorenthalten. Es werden nur Personen befragt und selektiv Faktoren herangezogen, die jene Agenda stützen, der man sich verschrieben hat. Wer dagegenhält, der wird diskreditiert und letztlich eliminiert. Diversität durch Monokultur zu ersetzen, heizt jedoch das gesellschaftliche Klima an und macht anfällig für Irrwege.

Kritik ist eine wichtige Aufgabe des Journalismus und diese kann auch hart ausfallen, wenn sie sachlich bleibt. So hat man es zumindest früher gelernt und so praktizieren es auch viele Journalisten. Mit dem Haltungsjournalismus hat sich jedoch ein neuer, aggressiver Ton eingeschlichen. Tribunale werden abgehalten, (Vor-)Urteile gefällt. Vergessen wird dabei, dass Medien eine Verantwortung haben. Manche Journalisten, die – zurecht! – gegen Hate-Speech auftreten, merken gar nicht, wie aggressiv sie gegenüber jenen sind, die sich ihrer angemaßten Diskurskontrolle nicht unterordnen.

Das Ziel des Erziehungsjournalismus ist eine Entmündigung des Bürgers, dem man kein eigenes Urteil zutraut oder überlassen will. Dieser könnte ja womöglich die „falschen“ Schlüsse ziehen. Viele Journalisten bemerken nun, dass sie, selbst wenn sie sich um objektiven und unbeeinflussten Journalismus bemühen, bei ihren Leserinnen und Lesern an Glaubwürdigkeit und Zuspruch verlieren, dass diese sich anderswo informieren und orientieren. Man hat sich entfremdet. Auch der ORF registriert ein immer geringeres Interesse und eine Flut an GIS-Abmeldungen.

Dies sollte dazu motivieren, sich auf die Grundregeln dieses Berufs zu besinnen. Denn als Journalisten sind wir allein unseren Lesern und Zuseherinnen verpflichtet. Ich bin der festen Überzeugung, dass es in einer Demokratie die Vielfalt der Meinungen braucht.

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Schuld und entschuldigen